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Menschen im Sport: Der Journalist Günter Klein im Interview, Teil II

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Im zweiten Teil des Gespräches mit Sport- und Fußballjournalist Günter @guek62 Klein geht es noch einmal um die zentrale Rolle der Pressestelle und alternative, klassische Recherchemöglichkeiten dank Geduld und Informanten. Der Mann vom Münchner Merkur spricht über die Abwägung, ob und wann man eine heikle Geschichte veröffentlicht, über das Verhältnis von Sportlern und Journalisten nach der aktiven Zeit, über Uli Hoeneß’ schwerste Zeit sowie über die Taktik von van Gaal und Guardiola mit der deutschen Sprache. Wir fragen, ob Schweinsteiger, Lahm und Müller tatsächlich den Willen und das Zeug dazu haben, das nächste Triumvirat des FC Bayern zu werden. Zudem erzählt der Glossenschreiber Klein von Freud und Leid mit Waldemar „Waldi“ Hartmann. Nicht zuletzt haben wir Antworten auf die offene Frage, was Sammer eigentlich macht und „enthüllen“, für wen er angeblich den Platz warmhält.

 

Sportjournalist Günter Klein

Sportjournalist Günter Klein

Über die Linie Der Dialog mit der FCB-Pressestelle ist mal mehr, mal weniger freundlich, das muss man aushalten. Gibt es Beispiele, wo Du merkst, dass der Verein versucht, die Medien gegeneinander auszuspielen?

Günter Klein Nein, das passiert eigentlich nicht. Man muss sich schon mal was anhören wie „warum machst Du so eine Geschichte, das ist doch eher so ein Bild-Thema“, oder „das hätte nicht einmal die Bild-Zeitung gemacht“, aber sonst eigentlich nicht.

Über die Linie Da es keine Telefonlisten mehr gibt: Ist es möglich, heute noch an die Spieler ranzukommen, obwohl der Kontakt heute immer über die Pressestelle laufen soll?

Günter Klein An Telefonnummern kann man rankommen. Was viele versuchen, ist der Weg über die Agenten. Philipp Lahm kann man auch über Roman Grill kontaktieren, das ist klar. Oder Thomas Müller über Wiggerl Kögl. Da gibt es schon immer noch Wege. Eine Boulevardzeitung hat das größere Telefonbuch.

Die Kabinenprügelei von Robben und Ribéry

Günter Klein Ich habe es auch nochmal über die althergebrachte Methode versucht, also das Abfangen des Spielers an der Garagenausfahrt. Das war die Geschichte Ribéry-Robben, Halbfinale 2012 in Madrid.

Über die Linie Das blaue Auge.

Günter Klein Wir hatten über einen Informanten erfahren, dass es in der Halbzeit des Spiels einen „ungeheuren Vorfall“ gegeben hätte. Und dass dieser Vorfall mit Ribéry zu tun habe und zu einer Entlassung führen werde. Das hörst du, es ist der Tag nach dem Spiel. Dann bin ich rausgefahren.

Über die Linie Also zur Säbener Straße.

Günter Klein Ja. Es ist eigentlich nicht meine Art, sich drei Stunden an der Garagenausfahrt aufzuhalten. Der einzige, der dort nicht rausfuhr, war der Ribéry. Irgendwann hatte ich aufgegeben, weil ich gemerkt hatte, dass die Kollegen von den anderen Zeitungen (Bild und tz) gelauert hatten. Die hatten aber auf etwas anderes gelauert. Die waren nur sehr vorsichtig, dass der Merkur auf irgendwas lauerte, weil der da normalerweise nicht lauerte – und ich gleich gar nicht. Irgendwann habe ich mich mit dem Kollegen der tz ausgetauscht, auf wen wir warten. Ich sagte: „Ich sag’s jetzt Dir, aber Du hältst die Klappe. Ich warte auf Ribéry. Es muss was vorgefallen sein, aber ich weiß nicht, was.“ Es war letztlich so, dass wir an diesem Tag die Geschichte einfach nicht machen konnten, weil wir den Informanten nicht mehr an dem Tag erreicht haben, damit der was Näheres sagt. Das war zu viel luftleerer Raum. Erst am nächsten Tag konnten wir verifizieren, dass Ribéry Robben geschlagen hatte. Aber die Meldung ist allgemein relativ klein gefahren worden. Weil keiner sich getraut hat, mit einer großen Berichterstattung, die es zum Beispiel nach einem Vorrundenspiel gegeben hätte, das große Ziel Champions League zu gefährden. Finale dahoam, da wollte keiner, dass ein Scheitern auf ihn zurückfällt, dass es heißt, „Du, Zeitung, Du hast die große Unruhe reingebracht, da sagen wir unseren Fans, Du bist Schuld.“

Das war meiner Meinung nach auch das Motiv der ganzen Aufsichtsräte in der Hoeneß-Affäre, dass 2013 weder Adidas noch Audi etwas damit zu tun haben wollten, dass der Traum Champions League nicht in Erfüllung ginge.

Wann wird eine Geschichte veröffentlicht?

Über die Linie Das heißt aber, man spürt als Journalist trotz der Unabhängigkeit eine gewisse Verantwortung oder einen gewissen Druck, dass man dem Verein nicht schaden möchte oder kann oder will? Du hast ja Geschichten veröffentlicht, wo der Verein nicht gut dasteht, aber Dir gesagt hast, „ich muss das jetzt bringen“. Wie wägst Du das ab?

Günter Klein Ich glaube, man muss immer im Hinterkopf haben, dass man wieder zusammenarbeiten muss. Es gibt schon leichte gegenseitige Abhängigkeiten. Diese Prüfung käme, wenn jetzt eine Geschichte von einer ganz großen Sauerei käme. Eine ganz kritische Situation wäre, wenn man vor einem großen sportlichen Moment des FC Bayern rein theoretisch erfahren würde, dass sie ein Spiel verkauft hätten. Ich glaube, dass manchmal zumindest bei den Boulevardmedien der Zeitpunkt der Veröffentlichung gesteuert ist. Es ist klar, dass Geschichten kommen, aber man überlegt sich den Zeitpunkt.

Über die Linie Da wäre die Maulwurf-Geschichte ein Beispiel, die kam nach dem Dortmund-Spiel raus. Die Infos waren womöglich vor dem Spiel bekannt, sie hätte einen Einfluss haben können.

Günter Klein Ich glaube, dass es eine gewisse Rücksichtnahme ist. Ich hätte meine Geschichte über die Finaltickets für die Champions League auch vor dem DFB-Pokalfinale machen können. Aber ich habe mir schon gesagt, das schaut arg miesepetrig aus. Beim Leser käme es so rüber. Das ist eine Woche, wo alle jubeln, und man versucht, denen was reinzudrücken. Das wäre ein „das Haar in der Suppe“-Suchen. Da sagt man, na gut, da habt Ihr Eure Chance, das Triple zu machen, aber mit ein bisschen Abstand muss die Geschichte geschrieben werden.

Wenn eine Geschichte das Sport-Ressort verlässt

Über die Linie Wobei auch unmittelbar vor wichtigen Spielen aufsehenerregende Artikel veröffentlicht werden, wie beispielsweise beim CL-Halbfinalrückspiel in der letzten Saison, als unmittelbar davor der Haftbefehl gegen Hoeneß und die Hausuntersuchung bei ihm bekannt wurden – da bekomme ich als Leser den Eindruck, das wird jetzt zu diesem Zeitpunkt gebracht, um dem Verein zu schaden. Oder ist das eine Geste, um zu zeigen, „wir sind total unabhängig“? Oder können wir nur spekulieren?

Günter Klein Da können wir nur spekulieren. Zumal die Geschichten mit Hoeneß irgendwann das Sport-Ressort verlassen haben. Die waren in Investigativ-Ressorts. Da wird keine Rücksicht mehr genommen. Wenn man die Geschichte hat, dann kommt sie halt raus. In dem Fall war es, dass die Staatsanwaltschaft verlautbart, dass sie die nächsten Schritte einleitet – die nimmt keine Rücksicht, und das darf sie auch nicht. So ist sie nicht. Dann muss man seine Sachen veröffentlichen.

Maulwurf-Diskussion hat nicht abgeschreckt

Über die Linie Du hast vorhin von einem Informanten gesprochen. Ist im unmittelbaren Nachgang der Maulwurf-Geschichte zu beobachten gewesen, dass die Menschen vorsichtiger werden, wenn sie mit Euch sprechen? Oder geht jemand nicht mehr ans Telefon, wenn man ihn anruft?

Günter Klein Man erfährt da schon noch so einiges.

Über die Linie Gibt es nach der aktiven Karriere der Fußballer noch Kontakt oder eher gar keinen?

Günter Klein Ja, gibt es noch. Sie sind leichter zu erreichen und haben weniger Druck. Beim Eishockey: Wenn die Spieler, die junge Spieler waren, als ich junger Journalist war, nun aufhören oder Trainer werden, da hat man Kontakt, die Szene ist kleiner gewesen. Beim Fußball, die Altvorderen sind ja aus einer anderen Generation. Wenn ein Mario Götze mal aufgehört hat, ob der leichter fassbar sein wird, das weiß ich nicht. Die Spieler werden lockerer. Wenn bei einem Oliver Kahn der Druck weg ist, ist es sicherlich einfacher als zu seiner aktiven Zeit.

Für Mehmet Scholl ist der Journalist der natürliche Feind geblieben

Über die Linie Die Generation Scholl und Kahn, haben die nach ihrem „Seitenwechsel“ als TV-Experten nun ein anderes Bild von Euch? Gehen die anders mit Euch um? Sind sie andere Menschen geworden?

Günter Klein Beim Mehmet Scholl glaube ich, dass der die meisten Journalisten als natürlichen Feind ansieht. Ich glaube nicht, dass der Seitenwechsel bei ihm was bewirkt hat. Andere wie ein Lizarazu, den trifft man bei Olympia als Berichterstatter beim Kanufahren, da ist natürlich eine ganz andere Atmosphäre. Nach der Karriere ist der Fußballer ein anderer Mensch.

Über die Linie Gibt es auch Situationen, wo einer sagt, „Jetzt kann ich Dir mal erzählen, wie es wirklich war“?

Günter Klein Das weniger.

Uli Hoeneß’ Zurückhaltung

Über die Linie Kommen wir zu Uli Hoeneß. Sein persönliches Drama ist, dass die Selbstanzeige bekanntgeworden ist. Hast Du einen Eindruck, dass er sich stark verändert hat? Meldet er sich gar nicht mehr?

Günter Klein Ich habe mir in letzter Zeit bei den Negativthemen gedacht, da wäre das ein oder andere dabei gewesen, wo er sich aufregt und mich angerufen hätte. Das verkneift er sich jetzt mit Sicherheit. Aber ich habe ihn auf dem Manchester-Flug getroffen, er war total freundlich. Es ist natürlich ein Drama und ich fühle da wirklich mit ihm.

Mitleid für Uli

Günter Klein Er nahm sich zu seinem 60. Geburtstag den ganzen Tag Zeit und gab ein Interview nach dem anderen. Und das war so ein glücklicher Mensch gewesen, der im Leben wirklich alles erreicht hat. Der einzige offene Posten war, mit Bayern nochmal die Champions League zu gewinnen. Im Grunde war das ein Mann, der über jeden Zweifel erhaben war, der über jeden Konflikt hinweg war, der wirklich zufrieden war. Er gab ein paar Ansichten von sich, zum großen Lauf der Dinge, zur Politik… Das war ein gemachtes Leben. Deswegen tut er mir so unendlich Leid in der Schxxxe, in der er jetzt steckt.

Die Glaubwürdigkeit der Justiz

Günter Klein Trotzdem, es muss eine Aufarbeitung geben. Da geht es um die Glaubwürdigkeit der Justiz. Es muss behandelt werden. Ich finde es richtig, dass es vor Gericht kommt. Und ich hoffe, dass Hoeneß so rauskommt mit einer Lösung, mit der er leben kann. Ich glaube, für ihn ist das Allerwichtigste, dass er nicht irgendwo eingesperrt wird. Das stelle ich mir furchtbar vor. Das würde ich mir für mich selbst furchtbar vorstellen, in einem Raum eingesperrt sein. Ein Albtraum. Und ich hoffe, dass ihm das erspart bleibt. Er ist für mich kein Mensch, der in ein Gefängnis gehört.

Über die Linie Es hat offenbar eine geheime dunkle Seite gegeben, wo er sich selber nicht beherrscht hat. Da ist keine kriminelle Energie zu spüren, dass er eigentlich ganz anders wäre, als er sich immer gegeben hat.

Günter Klein Eine kriminelle Energie sehe ich bei ihm auch nicht. Vielleicht, sicherlich hat er den Überblick verloren, Ungeschick, vielleicht auch diese Vorstellung „Ich möchte nicht, dass der Staat das kriegt“. Beim einen sind das 5000 Euro im Jahr, beim anderen sind es 500.000 im Jahr, die er nachzahlen müsste. Wolfgang Bosbach hat in der Talkshow von Maybrit Illner gesagt, man kann nur hinter einem Boot Wasserski fahren. Auch wenn sie viel zahlen, bleiben die Saureichen immer noch reich. Aber es ist irgendwo menschlich, was da passiert ist.

Warum ich Hoeneß schätze

Günter Klein Worin ich mich von vielen unterscheide: Viele sagen, dass sie Hoeneß wegen seiner Wohltätigkeit schätzen. Deswegen schätze ich ihn weniger, ich schätze ihn wegen seines Intellekts. Wie er mit den Menschen umgeht. Wohltätig sind andere auch, manches, was als Wohltätigkeit ausgewiesen wird, sollte man etwas differenzierter sehen. Wenn der FC Bayern beim FC St. Pauli ein Benefizspiel macht, ist es nicht Hoeneß selbst, der etwas von seinem Ersparten gibt. Da ist er der Präsident oder Manager, der anordnet. Das ist der Verein FC Bayern. Deswegen finde ich eine solche Wohltätigkeit nicht das Ausschlaggebende, sondern ihn als Typ, mit seinen Gedanken zum Fußball, teilweise auch mit seinen Gedanken zur Politik, wo er wirklich einen überparteilichen Ansatz hat. Manche sagen, er sei sehr konservativ, was mir jetzt nicht so gefällt. Aber unterm Strich finde ich ihn als Mensch, als Typ imponierend. Seine Begeisterung, dieses Kindliche, das er sich bewahrt hat, das gefällt mir an ihm.

Die Jahreshauptversammlung – eine Inszenierung?

Über die Linie Zu seiner Natürlichkeit, die er sich bewahrt hat, gehört meiner Meinung nach die Reaktion auf Rummenigges Rede auf der Jahreshauptversammlung. Ist das eine Inszenierung, ist das geplant? Man kann doch nicht wissen, wie die Mitglieder in der Halle reagieren.

Günter Klein Ich glaube, man wusste schon, wie die reagieren.

Über die Linie Gut, die Mehrheit sicherlich, aber ob alle so reagieren? Wenn 30 oder 50 Leute Rabatz machen, kommt es zu einer Saalschlägerei.

Günter Klein Ich würde mir wünschen, dass Uli Hoeneß die Mitgliederbefragung anders macht. So wie beim Basketball, als gefragt wurde, ob der FC Bayern sich da engagieren soll. Jedes Mitglied des FC Bayern bekommt einen Brief mit Wahlunterlagen und kann sich dann entscheiden. Wenn 3500 Leute in der Halle sind, die sowieso pro Uli sind, eh alles Hardcore-Mitglieder: Wenn da einer sich traut, die Hand zu heben, dass er dafür sei, dass Uli zurücktritt – ich glaube, das traut man sich besser nicht.

Bei einer schriftlichen Abstimmung würde sich ein differenzierteres Bild ergeben. Dann sind es vielleicht nur 75% zu 25%. Aber es ist ein anderes Bild. Jahreshauptversammlungen sind eher gefährlich. Die schaffen eine eigene Welt. Das ist eher wie bei einer Partei und einem Parteitag. Natürlich ist immer alles gut und es gibt Ergebnisse über 90%. Und wenn es nur 80% sind, ist einer schon abgestraft.

Über die Linie Nochmal zur Person. Du hast gesagt, Uli hat sich das Kindliche bewahrt und er benimmt sich jetzt etwas anders gegenüber Journalisten. Gibt es noch etwas, das sich über die Jahrzehnte geändert hat?

Günter Klein Dass er sehr gelassen geworden ist. Früher war immer die Meinung über Hoeneß, der mache alles zu Geld, der verkaufe sogar seine Großmutter. Aber genau so ist er eigentlich nicht, dass er Leute verkaufen würde. Ihm ist der Profit nicht so wahnsinnig wichtig, so dass er die anderen Werte sehr wohl erkennt. Mit ihm konnten irgendwann alle leben: „Okay, er ist für einen Verein, den ich nicht so mag, aber ich finde die Sachen gut, die er macht.“

Über die Linie Das heißt, wenn das vor zehn Jahren herausgekommen wäre, wäre die Diskussion anders gelaufen.

Günter Klein Ja, in den neunziger Jahren hätten alle gesagt: „Ja, typisch! Dieser habgierige Kerl.“

Er hat ja eine unheimliche Fähigkeit zur Selbstironie. Wir Journalisten werden einmal im Jahr auf die Wiesn eingeladen, zur Pressewiesn. In manchen Jahren kommen Rummenigge oder Hoeneß. Einmal gab es Lebkuchenherzen mit dem Spruch „Ich bin ein toller Typ.“ Das hat Hoeneß auch gekriegt und sich umgehängt. Als er ging, steckte er das Herz weg. Ich sagte zu ihm, er solle das Herz schon tragen. Da antwortet er: „Ach wissen Sie, wenn ich mit dem Herz über die Wiesn gehe, sagen die Menschen wieder ’schau an, dieser arrogante Kerl’“.

Das Verhältnis Rummenigge und Hoeneß

Über die Linie Hat sich das Verhältnis zwischen Rummenigge und Hoeneß verändert, verbessert, der Vorstand insgesamt mit den neuen Leuten?

Günter Klein Wir nehmen zwischen Rummenigge und Hoeneß immer eine Rivalität wahr. Ob’s die wirklich in dem Maße gibt, wie wir sie wahrnehmen? Ich glaub’s fast nicht. Dafür funktioniert’s schon viel zu lange mit den beiden. Rummenigge ist mehr für die geschäftliche Seite zuständig, Hoeneß steht mehr für das Unbürokratische, das Menschliche – deswegen ist er auch viel beliebter als Rummenigge.

Beim Vorstand sehe ich einen Wandel. Da sind nicht mehr diese Fixpunkte drin. Wer kennt Jan-Christian Dreesen? Wer kennt Jörg Wacker, der von Bwin kommt? Der Schels ist der Mann, mit dem Hoeneß zehn Jahre lang bei Auswärtsspielen aufgetaucht ist und bei dem sich jeder fragte, wer ist das eigentlich? Den kannte ja niemand. Letztlich hat man erfahren, das ist ein Unternehmer aus der Oberpfalz, der nun Vizepräsident geworden ist.

Das nächste Triumvirat Lahm, Müller, Schweinsteiger?

Über die Linie Eine interessante These von Schweinsteiger ist, dass er mit Lahm und Müller das nächste Triumvirat bilden werde. Ich glaube nicht, dass das nur ein Spruch war. Ist da eine gewisse Wahrscheinlichkeit, eine ernsthafte Absicht, dem Verein später in leitender Funktion zu dienen oder ihn gar zu führen?

Günter Klein Das kann ich mir vorstellen.

Über die Linie Bei allen dreien?

Günter Klein Grundsätzlich ist es so, dass Spieler offensichtlich Schwierigkeiten haben, sich vom Fußball zu lösen. Auch wenn ihnen in anderen Bereichen die Türen offenstehen. Weil sie sehr klug sind, weil sie den Bildungsbackground haben. Jemand wie Oliver Bierhoff bräuchte nicht unbedingt den Fußball, um was zu sein. Aber trotzdem suchen sie im Fußball nach einer Weiterbeschäftigung. Von daher kann ich mir das bei den dreien vorstellen.

Beim Schweinsteiger und Lahm sehe ich noch nicht den Bildungshintergrund. Ich finde, da muss man schon was studiert haben.

Über die Linie Heutzutage.

Günter Klein Ja. Man muss Kenntnisse in Betriebswirtschaft mitbringen. Weil, nur das Gespür für den Fußball zu haben und die Kontakte, das ist vielleicht ein bisserl wenig. Da muss man sich dann mit Experten umgeben.

Über die Linie Dann sollten sie also den Kahn-Weg gehen (BWL-Studium nach Karriereende)?

Sammer, der Platzhalter?

Günter Klein Ich denke, dass es irgendwann in Richtung Kahn läuft. Ja, es gab immer diese Gerüchte, dass Sammer nur ein Platzhalter für Kahn wäre.

Über die Linie Das ist mir neu.

Günter Klein Bei einem Flug der Bayern hat man sich das als die kommende Wahrheit erzählt, also nicht hinten im Pressebereich, sondern weiter vorne bei den Leuten, die nah am Verein sind.

Was Sammer genau macht, weiß man wohl wirklich nicht.

Über die Linie Weißt Du, was Sammer macht?

Günter Klein Ich glaube, ich habe es neulich erfahren. Und zwar hat der DFB eine Studie in Auftrag gegeben, die er beim Aufenthalt der Nationalmannschaft in München bekanntgegeben hat. Da hieß es, die Nationalmannschaft sei die „vierte Macht im Staat“. Professor Sascha Schmidt, Leiter vom Institut für Business, Sport und Society der EBS Universität hat die gemacht.

Professor Schmidt sagt, es gebe bei der Wirtschaft ein Verhaltensmuster. Wenn es sehr gut läuft, holt man sich, um die Zukunft zu sichern, jemanden von außen rein, den Advocatus Diaboli. Der sagt, „das ist schlecht, das muss besser werden“; der legt den Finger in die Wunde. Und genau das ist das Jobprofil von Sammer. Also, was er genau macht, weiß man wohl wirklich nicht – aber er scheint so etwas zu sein: jemand, der Bequemlichkeit verhindert.

Über die Linie Wenn’s wirkt, ist’s ja schön.

Günter Klein Wenn einer bereit ist, die Rolle einzunehmen, bei der man wenig Beifall bekommt. Wenn einer das kann, und wenn es dem Verein nutzt, dann hat der Verein es richtig gemacht.

Über die Linie Eine Vermutung ist, dass er das Nachwuchs-Leistungszentrum neben der Allianz Arena aufbauen soll.

Günter Klein Kann auch sein. Die waren im Jugendbereich nicht sehr erfolgreich. Das ist sicher etwas, wo man mehr machen muss.

Der wilde Waldi – die Konfrontation

Über die Linie Ganz anderes Thema: Waldemar „Waldi“ Hartmann hatte seine berühmt-berüchtigte Kneipe hier in Augsburg – hast Du das alles mitbekommen?

Günter Klein Da war ich noch zu klein. Das Lustige war, ich habe ihn als relativ junger Journalist kennengelernt. Das war am Rande des Sportkuriers. Waldi war damals Chefredakteur von TV Weiß-Blau. Man war sofort per Du mit ihm.

Ich habe immer Glossen geschrieben, auch 1988, eine begleitende TV-Glosse während der Olympischen Spiele in Seoul . Damals hatte die ARD Ben Johnson für 10.000 Mark exklusiv eingekauft. Johnson ging daher nie zum ZDF, sondern immer nur zur ARD. Also war er nach seinem 100-Meter-Gold bei Waldi, bevor er als Doping-Sünder aufflog. Ich habe damals schon festgestellt, dass Waldis großes Thema das Feiern ist, wie man große Siege feiert. Ich habe dann locker geschrieben, Waldi hätte auch sagen können, er kenne noch einen „geilen Schuppen“ in Seoul, da gehen wir nachher noch hin.

Dieses Wort „geil“ hat bei Waldi zu so einem Sturm der Entrüstung geführt, dass er bei meinem damaligen Chefredakteur über Rechtsanwälte sehr drohend wurde. Er hatte damals noch nicht dieses Image, „der Waldi trinkt, der Waldi feiert, der Waldi nimmt es locker mit den Frauen.“ Also hat er als Argument angeführt, für seinen Sohn in der Schule sei es ganz schlimm. Jedenfalls hat er mich stark herausgefordert und ich habe mich auf den Kampf eingelassen. Weil, ich hatte ein gutes Instrumentarium. Dem Kicker, genauer dem Wolfgang Uhrig, der damals stellvertretender Chefredakteur war, haben meine Fernsehkritiken im Sport-Kurier ziemlich gefallen. Und er sagte, schreib’ doch auch für uns die Fernsehkritik (die es damals noch gab). Da habe ich den Waldi schon ein bisschen verfolgt. Und wann immer ich ihn bei einem Ausrutscher erwischt hab’, habe ich ihm eine mitgegeben. Wir befanden uns also ein bisschen im Krieg. Und dann gab es den berühmten Fuji-Cup in Augsburg. Die Pressetribüne in Augsburg hatte 16 Plätze. Das waren Drehhocker in der letzten Reihe. Wie es der Zufall so will, kommen der Waldi und ich nebeneinander zu sitzen.

Die milde Phase

Über die Linie Er kannte Dich und wusste sofort, dass Du es bist?

Günter Klein Ja, er kannte mich von früher. Ich war allerdings kurz vorher schon in eine milde Waldi-Phase übergetreten. Ich fand es zwar immer sehr störend, dass er Interviews immer auf das Feiern runtergezogen hat. Ich fand allerdings andere Sachen sehr gut. Er hat eine gute Interview-Technik gehabt. Und er hat es wirklich verstanden, vor allem in Blickpunkt Sport, mit seiner jovialen Art viel aus den Menschen herauszuholen. Also ich fand ihn auch einen sehr guten Journalisten.

Dann saß er also neben mir. Wir hatten so eine Minute aneinander vorbeigeschaut. Dann sagte er: „Mein lieber Kollege Klein, ich finde es ja sehr schön, dass Sie mittlerweile soweit sind, dass Sie auch die positiven Seiten meiner Arbeit erkennen.“ Ja, und dann sind wir uns halt wieder nähergekommen und seitdem ist es ein neutrales Verhältnis. Wir grüßen uns freundlich.

Und irgendwann hat er sich ja total auf dieses Image eingelassen, dieses Waldi-Image mit trinken und feiern und er macht jetzt keinen Hehl mehr aus seinen Weibereien, die er früher eher geheim gehalten hatte.

Das Privatleben der Spieler – bleibt privat

Über die Linie Wo wir bei Weibereien sind – das wilde Treiben der jungen Spieler, findet das noch statt? Im Zeitalter von Internet und Smartphones müsste doch ständig was erscheinen oder sind alle brave Jungs geworden?

Günter Klein Ich glaube, das findet noch statt, weil einfach ein Leistungssportler wahnsinnig viele Versuchungen hat. Aber ich weiß es nicht. Man hört dann irgendwas von Hotels am Gardasee, die ein beliebter Treffpunkt seien. Aber da sage ich, das ist Privatsache, das ist überhaupt nicht mein Thema. Genauso wie bei Lahm. Obwohl er mit seinem Buch klar Stellung genommen hat: Da heißt es, stimmt es, dass er in München mit einem Mann zusammenlebt? Sage ich: Weiß ich nicht, glaube ich nicht, interessiert mich auch nicht.

Die Trainer und ihre Taktik mit der deutschen Sprache

Über die Linie Sprechen wir noch ein wenig über Pep und die deutsche Sprache.

Günter Klein Es ist faszinierend, dass er das strikt mit dem Deutsch durchhält. Aber man kann nie in die Tiefe gehen.

Über die Linie Das ist Absicht, oder?

Günter Klein Sicher auch Taktik. Im Zweifelsfall versteht er es halt nicht. Zu der Sache mit seinem Bruder, oder wie seine Beziehung zu Katar ist, da hätte man ihn fragen müssen. Er müsste sich eigentlich, so links-liberal, politisch denkend, wie es immer heißt – Guardiola müsste sich als Katar-Botschafter zu den ganzen Zuständen in Katar äußern. Aber das umgeht er sehr elegant, er sei nicht informiert oder er verstehe die Frage nicht. Das finde ich schade. Man kann nie richtig nachfragen. Gerade für die Kollegen vom Hörfunk ist das eine Katastrophe, die können die O-Töne meist nicht verwenden.

Bei van Gaal waren die O-Töne lustig, weil er so Sprachbilder hatte wie „Das ist wahr wie die Kuh“, das war sehr ergiebig. Ich habe ihn 1998/99 das erste Mal als Trainer erlebt, da war er Trainer von Barcelona. In der CL-Vorrunde gewann Bayern gegen Barcelona 2:1 und ich dachte in der Pressekonferenz: Was ist das für ein A…loch? Der Inbegriff eines Holländers…

Über die Linie …der die Deutschen hasst.

Günter Klein Ja. Das war für mich klassisch. Und ich habe mich die nächsten Jahre immer gefreut, wie er auf die Schnauze gefallen ist. Und als der Kontakt zu Bayern aufkam, dachte ich, das kann nicht sein. Man muss sich nur mal bei YouTube seine Auftritte anschauen, auch auf Holländisch, die muss man nicht mal verstehen. Der Heiner Schuhmann, ein Augsburger, der ist jetzt Scout von Borussia Dortmund ist, hat ihn mal besucht. Er war bis 1998 Jugendkoordinator beim FC Bayern und hatte damals Owen Hargreaves aus Kanada geholt. Heiner erzählte mir, dass er 1995 eine Expedition nach Holland machte, um die Coerver-Schulungsmethoden mitzukriegen. Der holländische Guru Wiel Coerver vertrat die These, er könne aus jedem motorisch normal begabten Menschen einen relativ guten Fußballer machen. Messi ist nach Coerver-Schule unterrichtet worden. Viele, auch bei Bayern, wurden nach Coerver unterrichtet. Die Generation Lahm hat viel von seinen Methoden mitgekriegt.

Die Gruppe von Schuhmann war damals also eine ganze Woche bei van Gaal (damals Trainer von Ajax Amsterdam). Van Gaal sprach die ganze Woche nur Englisch mit ihnen. Und am Wochenende kamen Uli Hoeneß und Rummenigge und van Gaal konnte auf einmal Deutsch. Der ist schon wirklich sehr seltsam.

Guardiola – das ist befristet

Über die Linie Ist absehbar, ob Guardiola zumindest theoretisch erwägt, seinen Vertrag zu verlängern oder ist auf jeden Fall nach den drei Jahren Schluss? Dann müsste man ja (spätestens) nächstes Jahr anfangen zu suchen.

Günter Klein Ich könnte mir vorstellen, dass er schon eine Zeit hinhängt, weil München eine gewisse Lebensqualität bietet und was Eigenes hat. Aber genauso klar ist, dass er das als befristet ansieht. Einen Rentenvertrag wird Beckenbauer ihm irgendwann vielleicht anbieten, obwohl er nicht mehr die Position hat, das zu tun, aber er wird es bei Sky90 machen. Pep wird sicher noch etwas ganz anderes machen. Ich kann mir vorstellen, dass so einer mal nach Russland geht oder nach China oder England…

Über die Linie … oder die Unabhängigkeit Kataloniens ausruft.

Günter Klein Er wird sicher noch viel machen in seinem Leben.

Über die Linie Klopp als Bayern-Trainer: noch vorstellbar?

Günter Klein Nicht mehr, glaube ich. Weil die Polarisierung inzwischen so stark ist. Das wird ja immer stärker im Fußball.

Dortmund? Keine Chance!

Über die Linie Das heißt, man muss dieses oder nächstes Jahr anfangen zu sondieren. Ist da schon etwas erkennbar?

Günter Klein Nein. Das wäre noch viel zu früh. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie dieses Jahr nochmal die Champions League gewinnen.

Über die Linie Die Bayern sind derzeit in Tripleverteidigungs-Form.

Günter Klein Dortmund ist gut geworden, aber keine Mannschaft, die die Champions League gewinnt. Das ist einfach so. Wobei die CL eindeutiger und langweiliger wird. Es ist noch ein bisschen Exotik in der Vorrunde, dass da mal einer durchschlüpft wie Nikosia vor zwei Jahren oder letztes Jahr Málaga.

Über die Linie Oder Schalke in dieser Saison.

Günter Klein: Wer die wahren Gegner sind, das ist klar, das ist ein Kreis von sechs bis acht Vereinen.

Oder die Bundesliga. Wer weiß, wie lange das noch interessant bleiben wird.

Über die Linie Ich habe in der Tat letztens mit einem Freund gesprochen, der sagte, er gucke die Sportschau nicht mehr, ihn interessiere die Bundesliga nicht mehr, es sei eh klar, dass die Bayern immer gewinnen. Ich kann natürlich nicht behaupten, dass diese Einstellung repräsentativ ist, aber ich würde mich nicht wundern, wenn das einer der Effekte der Bayern-Stärke wird.

Der Fußball schwebt über allem

Günter Klein Für die kleinen Vereine insgesamt ist es schlecht. Der Profifußball zieht sehr viel auf sich. Das finde ich schon ein bisschen schade. Und ich finde es im Grunde pervers, dass Viertliga-Übertragungen eine höhere Einschaltquote haben als Handball oder Basketball. Ich mag Handball nicht, aber das kann ich nicht verstehen. Wenn die Sender sich interessante Partien von Fußball-Traditionsvereinen rausgreifen, also da hört meine Fußball-Liebe auf.

Über die Linie Eine wichtige Frage ist, was für die anderen übrigbleibt. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie Sportler über vier Jahre für einen so kurzen Wettbewerb wie einen Hundert Meter Lauf trainieren, einmal ihren großen Auftritt haben und wieder vier Jahre in der Versenkung verschwinden. Wie die Sportler das schaffen, sich vier Jahr zu motivieren und das durchzuziehen. Eine irre Leistung, die aber gesellschaftlich oder finanziell viel weniger honoriert wird.

Günter Klein Man zahlt fast drauf, um sich eine Karriere zu ermöglichen. Ich finde es krass, wie das Geld im Fußballkreislauf drin ist.

Doping

Über die Linie Andererseits, selbstverständlich ist das auch nicht. Lass’ zwei, drei üble Skandale hochkommen, der Hoeneß-Skandal ist es nicht geworden, aber lass’ z.B. eine Doping-Geschichte von einem Nationalspieler passieren, eine aktuelle, nicht von 1954 – dann kann das sehr schnell sehr stark bergab gehen.

Günter Klein Ich glaube, im Fußball würde man das Doping schnell nachsehen. Es ist natürlich viel mehr, als man weiß. Ich glaube, da sagt man, im Fußball, da kommt es doch mehr auf andere Sachen an.

Über die Linie Aber ob Du Kraft hast, 90 Minuten voll durchzuspielen oder ob Du nach 70 Minuten nachlässt, das macht einen großen Unterschied aus.

Günter Klein Dann sagen die Leute, gut, soll er halt ausgewechselt werden

 

Besten Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Stefen Niemeyer.

Teil I hier


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